Märchen oder Wahrheit – was ist dran, dass man sich bei Kälte schneller einen Schnupfen oder gar eine gestandene Erkältung holt? Wir gehen dieser Frage wissenschaftlich auf den Grund und erklären, ob niedrige Temperaturen, Zugluft & Co. wirklich krank machen können.
Was wir gemeinhin als Erkältung oder grippalen Infekt kennen, ist in den allermeisten Fällen tatsächlich nichts weiter als eine Viruserkrankung:
Ausgelöst wird diese meist durch Rhino-, Entero- oder Mastadenoviren. Auch Infektionen mit Coronaviren oder durch Erreger aus der Familie der Paramycoviridae zählen dazu.
Bei Menschen mit einem normal funktionierenden Immunsystem dauert eine Infektion meist nur wenige Tage, höchstens zwei Wochen. Und in dieser Zeit hört man nicht selten den gut gemeinten wie nervigen Rat, kalte Umgebungen besser zu meiden.
Ist also doch etwas dran… macht Kälte krank und hilft Wärme dabei, schneller gesund zu werden?
Ursache und Wirkung – ein großes Missverständnis?
Fakt ist, dass die Erkältungssaison im Spätherbst beginnt. Also gerade dann, wenn es mit den Temperaturen bergab geht. Schon im antiken Rom glaubte man hier einen Zusammenhang zu erkennen.
Diese Vermutung fand relativ schnell Einzug in unsere modernen Sprachen: Das Adjektiv „kalt“ steckt ja im Wort „Erkältung“ augenscheinlich mittendrin. Und im Englischen meint man mit „cold“ nicht nur etwas Kaltes, sondern auch einen grippalen Infekt.
Hinzu kommt, dass Frieren eines der ersten Symptome einer Erkältung ist. Wenn also jemanden heute ein leichtes Frösteln plagt und er morgen mit Schnupfen und Halsschmerzen im Bett liegt, wurde das Kältegefühl am Vortag vielleicht fälschlicherweise als Ursache gedeutet.
Andererseits brachten selbst groß angelegte Versuche mit Freiwilligen, wie sie Mitte des 20. Jahrhunderts in Großbritannien durchgeführt wurden, kein Licht ins Dunkel:
Die eigens gegründete „Common Cold Research Unit“ führte ab 1946 beispielsweise Tests über jeweils zehn Tage durch, bei welchen die Probanden verschiedenen Kältereizen ausgesetzt waren und die restliche Zeit in Quarantäne verbringen mussten. Als die Forschungseinrichtung 1989 schloss, blieb sie einen Nachweis über den Zusammenhang zwischen Kälte und Erkältung schuldig.
Macht Kälte krank? Ja! Und Wärme? Auch!
Das Immunsystem des Menschen funktioniert am besten bei einer Körpertemperatur von 37 Grad Celsius. Je kälter die Umgebung ist, desto schneller kühlen wir aus – und frieren.
Dadurch verengen sich die Blutgefäße, was zu einer verminderten Durchblutung führt. So schützt sich unser Körper vor einem allzu schnellen Auskühlen und stellt sicher, dass überlebenswichtige Organe möglichst lange funktionieren können.
Das hat allerdings den Nachteil, dass mit weniger Blut auch weniger Abwehrzellen in die Schleimhäute von Mund und Nase gelangen. Beides stellen Einfallstore von Erkältungsviren aller Art dar, die dann natürlich leichtes Spiel haben.
Die Tatsache, dass Menschen bei Kälte mehr Zeit in geschlossenen Räumen verbringen, tut ihr übriges zur Sache: Erkältungsviren verbreiten sich durch Tröpfcheninfektion – Sprechen, Niesen, Händeschütteln… all das verbreitet die Erreger ebenso wie der Luftstrom von Heizkörpern und Klimaanlagen.
Und sogar Wärme kann schädlich sein. Vor allem trockene Wärme, wie sie in Innenräumen häufig anzutreffen ist, reizt die Schleimhäute – und führt so wiederum zu einer vermehrten Anfälligkeit für Infektionen.
Auch die Psyche spielt eine Rolle: Stress, Schlafmangel und andere psychische Belastungen beeinträchtigen die Immunabwehr und erhöhen so das Risiko – nicht nur – für Erkältungen.
Fazit: »Mens sana in corpore sano«
Oder auf Deutsch: »Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.«
Unser Immunsystem ist vielfältigen Belastungen ausgesetzt, die dessen Funktion beeinflussen und damit zu einer höheren Infektanfälligkeit führen. Kälte mag ein Faktor dafür sein, aber nicht nur. Die Aussage, dass Kälte krank macht, stimmt also nur bedingt.
Mit anderen Worten, ein ausgeglichener Lebensstil ist das A und O für unsere Gesundheit. Und dann darf man ruhig auch mal kurze Zeit frieren… 😉
Autor: Tobias Eichner | Datum der Veröffentlichung: Dezember 2022
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