Im Herbst erstrahlt die Natur in den schönsten Farben – bevor Laubbäume und Sträucher ihre Blätter endgültig der kalten Jahreszeit opfern, leuchten sie noch einmal in einem sonnigen Gelb, warmen Orange und intensiven Rot.
Doch das Schauspiel dauert nur wenige Wochen, dann wird blankgezogen; wenn der erste Schnee fällt, sind meist alle Blätter schon längst auf dem Kompost gelandet.
Das Blattkleid eines Laubbaumes wiegt im Schnitt zwischen 20 und 30 kg. Ein ordentlicher Verlust an Biomasse also, bei dem sich schnell die Frage nach dem „Warum“ stellt:
Wäre es nicht viel effizienter, das eigene Laub zu behalten? Immerhin brauchen Pflanzen ihr Blattwerk für die lebenswichtige Photosynthese. Bei diesem biochemischen Vorgang handelt es sich – stark vereinfacht – um die Erzeugung von Energie aus Licht und Bestandteilen der Luft.
Grün, gelb, rot – das macht Sinn…
Im Frühjahr und Sommer dominiert das als „Blattgrün“ bekannte Chlorophyll. Dieses wird im Herbst abgebaut und so von anderen Farbstoffen verdrängt:
Die gelbe Färbung der Blätter wird durch Carotinoide, die rote Farbe durch Anthocyane hervorgerufen.
Beide verleihen unter anderem Karotten, Kürbissen und roten Weintrauben ihre typische Erscheinung.
Ein Sonnenschutz für sensibles Laub
Die roten Farbpigmente sind nicht nur ein Hingucker für’s Auge, sondern auch nützlich: Sie wirken wie eine Art Sonnencreme gegen hohe UV-Strahlung und schützen die Blattzellen vor freien Radikalen.
Gleiches gilt für die Karotinoide, doch anders als Anthozyane, welche erst im Herbst gebildet werden, sind diese ein ganzjähriger Bestandteil der Blätter.
Die farbigen Blätter helfen dem Baum dabei, trotz einsetzender Kälte noch einige Wochen lang Sonne zu tanken. Bei einer Vegetationsdauer von März bis September macht das ungefähr zehn Prozent mehr Zeit für die Photosynthese aus. Der Aufwand lohnt sich also.
Nebenbei räumen wir gleich mal mit einem gewaltigen Missverständnis auf: Denn auch gelbe und rote Blätter führen eine Photosynthese durch und versorgen die Pflanze so mit Nährstoffen.
Blattläuse – nehmt Euch in Acht!
Rot gilt in der Natur gemeinhin als Warnfarbe. Viele Tierarten nutzen sie beispielsweise, um Feinden zu signalisieren: „Ich bin giftig!“ Und auch unsere Bäume setzen diese Strategie zur Verteidigung ein:
Werden Bäume von Schadinsekten bedroht, produzieren sie Abwehrstoffe. Viele dieser Substanzen basieren auf den gleichen chemischen Vorstufen wie die Anthocyane. Darum lassen sich aus einer intensiv roten Blattfärbung Rückschlüsse auf die „Ungenießbarkeit“ des Baums ziehen.
Doch die Facettenaugen der Blattläuse besitzen gar keinen Fotorezeptor für die Farbe Rot. Sie sind eher für die saftigen Grüntöne optimiert. Gut möglich also, dass die kleinen Krabbeltierchen rote Blätter einfach nur deshalb meiden, weil sie weniger appetitlich aussehen. Am Ergebnis ändert das nichts.
Und warum verlieren Bäume überhaupt ihre Blätter?
Bleibt noch die Frage, weshalb Bäume und Sträucher ihr Blätterkleid nicht ganzjährig tragen.
Das über die Wurzeln aufgenommene Wasser verdunsten Pflanzen gewöhnlich über ihre Blätter. Im Winter aber ist der Boden oft gefroren, es steht viel weniger Wasser zur Verfügung, um den normalen Flüssigkeitsbedarf zu decken.
Außerdem müssten Vorkehrungen getroffen werden, damit das in den Blättern befindliche Wasser nicht gefriert – die Eiskristalle würden die Zellen der Blätter ansonsten zum Platzen bringen und zerstören.
Es geht hier schlicht ums nackte Überleben – ohne Blätter sinkt der Wasserbedarf enorm und die Pflanze hält problemlos bis zum Frühjahr durch. Das Abwerfen des Laubs ist also eine sehr effiziente Methode, den Widrigkeiten des Winters zu trotzen.
Autor: Tobias Eichner | Datum der Veröffentlichung: Oktober 2017
Wichtig: Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen und rechtlichen Hinweise für diesen Beitrag!